Von der Gratwanderung zwischen Feminismus und Akademismus zur österreichischen Krise der freien WissenschafterInnen: ein Entwurf in der Sackgasse?

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Alice Pechriggl *

Kurze Genese und Bestandsaufnahme

Feministische Ideologie- und Wissenschaftskritik sowie Geschlechterforschung (Gender Studies) fand in den 80er Jahren unter dem nicht unumstrittenen Titel "Frauenforschung" Eingang in das Lehrangebot der Universitäten. Diese sogenannten frauenspezifischen Lehrveranstaltungen werden derzeit noch über ein eigenes Lehrauftragskontingent abgedeckt, den sogenannten Frauentopf. Es handelt sich dabei um Lehrveranstaltungen, die fast ausschließlich von externen Lektorinnen abgehalten werden.
In den letzten 10 Jahren wurde dieses äußerst geringe Kontingent praktisch nicht erhöht, obwohl das Interesse daran in immer mehr Studienrichtungen massiv angestiegen ist. 1 Dem ist hinzuzufügen, daß die feministische / Frauenforschung und Geschlechterforschung eines der innovativsten und vielgelesensten Gebiete innerhalb der Sozial- und Geisteswissenschaften darstellt, und daß sie grundlegend ist für die erfolgten und noch angestrebten Veränderungen im Hinblick auf die Situation der Frauen sowie auf eine Neuordnung der Geschlechterverhältnisse.
Es hat sich währen der letzten Jahre immer wieder die Frage gestellt, ob diese Art von spezifischem Kontingent nicht zu einer Ghettoisierung der besagten Lehre führe und ob es nicht sinnvoller wäre, die "Frauenforschung" in den Studienplänen, in denen dies Sinn macht, zu verankern. Doch es wurden weder Möglichkeiten geschaffen, noch Maßnahmen getroffen, die eine solche Verankerung zur Folge hätten. (Der im Parlament demnächst zu beschließende Entwurf zu einem Universitätsstudien Gesetz enthält zwar eine Grundsatzbestimmung über die Gleichwertigkeit dieses Forschungsbereichs mit anderen, 2 aber es gibt noch kaum Hinweise auf eine de facto Verankerung).

Gratwanderung und double bind

Feministische Theorie stellt eine spezifische Denkweise und -haltung dar, die sich ausdrücklich zwischen Praxis und Denken, zwischen Partialität und Impartialität ansiedelt, wobei sie parteiisch meist im Hinblick auf ( und im Sinne der - Gleichberechtigung ist. Die ständige Gratwanderung vieler in universitärer Lehre und Forschung tätiger Wissenschafterinnen zwischen politischer Praxisbezogenheit und dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit drückt sich am deutlichsten in der Diskussion um die Benennung der Disziplin aus, die an den Universitäten verankert werden sollte und deren Vielschichtigkeit sowohl den Anspruch auf Interdisziplinarität als auch Richtungsdivergenzen umfaßt: Frauenforschung, feministische Forschung, Geschlechter- und Frauenforschung, Forschung von Frauen 3 über Frauen und Geschlechter etc... Als spezifische Form der Wissensvermittlung zwischen Theorie und politischer Praxis sollte sie sowohl akademischen als auch gesellschaftskritischen Anforderungen gerecht werden.
Der skizzierten Gratwanderung stellten sich vor allem zahlreiche freie Wissenschafterinnen, die als externe Lehrbeauftragte feministisches Engagement und universitäre Forschung zu vereinbaren suchten und dabei neue Denkansätze weiter/entwickelten. Sie sind hiermit in zweifacher Weise als Extranei (Fremde, Außenstehende) gegenüber dem akademischen Betrieb angesiedelt: vom Standpunkt der akademischen Disziplinen her als auch vom institutionellen Standpunkt her. 4 Die zahlreichen Gründe für die ablehnende Haltung unter Berufung auf akademische Kriterien und Werte lassen sich schematisch unter die interferierenden Kategorien der Haltung, des Status, des Kanons und des Mythos der Wertfreiheit sowie desjenigen eines transzendenten wissenschaftlichen Subjekts reihen. Ich kann hier nur auf einige davon kurz eingehen.
Feministische wissenschaftliche Kritik hat an den männlich dominierten Universitäten seit jeher einen prekären Status, der überhaupt nur aufgrund des Drucks der Studierenden und einiger Lehrender zu erreichen und aufrechtzuerhalten war. So erschien sie vielen als suspekt, nicht zuletzt weil sie zur Sensibilisierung für ( und zum Angriff auf ( sexistische und statusfestigende Strukturen innerhalb der von Männern beherrschten und geprägten Universitäten beitrug. Mehr formal als inhaltlich wurde dieser Forschungszweig als unakademisch kritisiert (sofern überhaupt argumentiert wurde). Dabei wurde sie besonders in den 80er Jahren, als die Verabschiedung der Geistes- und Sozialwissenschaften von emanzipatorischen Ansprüchen seitens des universitären Establishments wieder vehementer vertreten wurde, als politisch-emanzipatorisch und deshalb als ideologisch kritisiert.
Andererseits war sie aber zugleich auch durchsetzbar und -haltbar unter Rekurs auf praktisches Unrecht in der Besetzungspolitik der Universitäten (geringer Frauenanteil, Bevorzugung von männlichen Bewerbern durch fast durchwegs männlich besetzte Gremien). Diese Koppelung war strategisch nicht unwichtig, doch könnte sie der feministischen Forschung und Wissenschaftskritik, die viel weiter reicht als in die bloße Gleichstellungs- und Personalpolitik, unter Umständen zum Verhängnis werden. Das Problem ist bisher am explizitesten im Frauenförderungsplan zum Ausdruck gekommen. Es werden darin die beiden Ebenen vermischt und damit implizit gleichgesetzt: der Frauenanteil an den Universitäten und der Lehrinhalt von "frauenspezifischen Lehrveranstaltungen". Im Frauenförderungsplan des BMWfK heißt es, daß die Sonderkontingente an den Universitäten, die nicht im Wirkungsbereich des UOG '93 sind, solange aufrechterhalten werden müssen, solange die vorgeschriebene Frauenquote von 40% nicht erreicht ist. Die hierin angelegte formale Gleichsetzung impliziert, daß Lehrinhalte, die sich kritisch mit den Geschlechterverhältnissen auseinandersetzen, durch die Anwesenheit von Frauen erstezt werden könnten. Dies setzt zumindest einen Fehlschluß voraus: Entweder, daß mit dem 40 prozentigen Frauenanteil an den Universitäten die Geschlechterverhältnisse als solche, innerhalb der Universität und darüberhinaus in der gesamten Gesellschaft, von ihren seit Jahrtausenden wirkenden Beherrschungs- und Unterdrückungsmechanismen befreit wären und damit aufhören würden Gegenstand wissenschaftlicher und herrschaftskritischer Reflexion zu sein. Oder, daß Frauen als solche automatisch diese Art von Lehre und Forschung betreiben. Beides ist offensichtlich absurd. Diese Inkohärenz mag zwar potentiell mit der strategischen Koppelung von feministisch motivierter Frauen- bzw. Geschlechterforschung mit den Bestrebungen, den Frauenanteil unter den Lehrenden an den Universitäten zu erhöhen, zusammenhängen; daß sie jedoch auf diese zugespitzte Art und Weise zum Ausdruck kommt, ist keineswegs notwendig. Denn es macht einen Unterschied, ob Frauenforschung unter anderem unter Hinweis auf die geschlechtsspezifischen Mißstände in der Personalpolitik der Universitäten eingefordert wird oder, ob sie allein auf dieses Problem reduziert zu werden droht. Eine solche Reduktion wird auch durch die Tatsache nicht richtiger, daß ein fast ausschließlich von Männern besetztes Gremium wohl eher ein frauenspezifisches Kontingent abschaffen würde als ein Gremium, mit einem höheren Frauenanteil.
Die erwähnte Koppelung von feministisch motivierter Frauen- bzw. Geschlechterforschung mit den Bestrebungen, den Frauenanteil unter den Lehrenden an den Universitäten zu erhöhen, hat sich bereits im Namen "Frauenforschung" abgezeichnet, der vielfach kritisiert wurde. Zwar steht ein Teil der wissenschaftlichen Forschung mit dem Anliegen der Gleichbehandlung bzw. Geschlechtergleichheit im rechtlichen Sinne in Verbindung, insbesondere in den Sozialwissenschaften, andererseits bleibt die Kluft zwischen Theorie und Praxis bzw. institutionnellem Engagement oft unreflektiert, beides vermischt sich sowohl bei den Anforderungen an die Bewerberinnen als auch in deren eigenem Selbstverständnis als WissenschafterInnen. Und schließlich läßt sich eine - wenn auch gessellschaftstheoretische und -kritische - wissenschaftliche Reflexion nicht darin funktionalisieren, Handlungsanleitung oder Sozialingeneering zu sein.
Ich erwähne diesen Punkt nicht nur, weil er mir bisher zuwenig beachtet scheint, sondern auch, weil er indirekt mit der Problematik der externen Lehrbeauftragten im Bereich der feministischen / Frauenforschung zusammenhängt. Zuvor scheint jedoch eine kurze Darstellung der Situation der Externen angebracht.

Situation der externen Lektorinnen im Bereich der feministischen / Frauenforschung innerhalb der generellen Situation der Externen 5

Die feministische / Frauenforschung wurde in den letzten Jahren zu einem überwiegenden Teil von externen Lehrbeauftragten getragen (für die Universität Wien durchschnittlich 75% 6). Diese Externen setzen sich großteils aus dem sogenannten "engagierten weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchs" zusammen (das Alter ist hier nicht unbedingt ausschlaggebend, denn manche werden zuweilen Jahrzehnte lang an die Institution angebunden mit der Aussicht auf einen Posten, die aber nie erfüllt werden konnte oder wollte). Die Etappen im Lebensentwurf dieser Generation von WissenschafterInnen folgen keineswegs mehr dem linearen und abgesicherten Lauf einer pragmatisierten Universitätskarriere, wie sie etwa in den 60er oder noch in den 70er Jahren begonnen wurde, als die Konkurrenz vergleichsweise gering war und die Professoren (in Ausnahmefällen Professorinnen) ihre besten bzw. treuesten StudentInnen an den Universitäten als ihre Nachfolger unterbrachten.
Zwar wurden in den letzten 20 Jahren neue Posten geschaffen, aber der Anteil dieses Zuwachses steht in keinem Verhältnis zum Anstieg der Studierendenzahlen (+70% zu +300%, und seit 1995 gibt es einen Aufnahmestop). Die Lücke wurde im Laufe der Zeit mit externen Lehrbeauftragten gefüllt. Einen Teil dieser sehr heterokliten Kategorie von Lehrenden stellen nun die freien WissenschafterInnen dar, die eine wissenschaftliche Parallelkarriere zur universitären Karriere der Fixgestellten aufweisen und gleichsam als akademische Reservearmee fungierten. 7 Manche sind oder waren AssistentInnen auf Zeit bzw., wie es jetzt heißt, Privatangestellte von ProjektleiterInnen an Instituten (etwa über Drittmittelprojekte). 8 Allen gemein ist die prekäre Existenz als permanente AntragstellerInnen (Anträge auf Stipendien, Forschungsprojekte, Lehraufträge mit relativ langen Begutachtungszeiten). Angesichts der unregelmäßigen und unsicheren Projektauftragslage für die freien WissenschafterInnen stellt für sie der Lehrauftrag als Externe nicht nur wegen der Abgeltung sondern auch wegen der Sozialversicherung eine wichtige existentielle Grundlage dar. Dieser Status zwischen Zufall, Erwartungshaltung und Sicherheitsbedürfnissen mag zwar im Sinne der derzeit allseits propagierten Mobilität spannend und zukunftsweisend erscheinen, wirkt sich aber angesichts der Konzeptlosigkeit bezüglich der Nachwuchsförderung nicht nur auf die Einzelnen zuweilen katastrophal aus; er führt auch zu einem beträchtlichen Verschleiß an nationalökonomischen Ressourcen. So wird etwa eine wissenschaftliche Karriere bis zum 35 Lebensjahr angestrebt und gefördert 9 um schließlich im Nichts zu Enden, weil seit der Herabsetzung der Altersgrenze etwa beim Apartstipendium in diesem Alter das Aus beginnt. Dazu kommt, daß in Österreich eine nur rudimentäre Infrastruktur für außeruniversitäre Forschung, insbesondere Grundlagenforschung, existiert (wie etwa der CNRS oder der CREA in Frankreich, wo die enseignants-chercheurs ebenso wie die postgraduate étudiants-chercheurs sogar eigene Kategorien darstellen).
Innerhalb dieses Szeniarios bewegen sich also die Wissenschafterinnen, die sich während der letzten 10 bis 15 Jahre innerhalb der feministischen Forschung etablierten. Der provisorische Reservestatus kommt ihnen mit dem von extranei ebenso in zweifacher Hinsicht zu, als das Sonderkontingent, über das ihre Lehraufträge fast ausschließlich abgegolten wurden, ebenfalls eine provisorische Reserve darstellt, die demnächst nicht mehr existieren wird, und weil wie erwähnt die weitere Existenz der feministischen / Frauenforschung alles andere als gesichert ist. Selbst wenn es in verschiedenen Studienrichtungen gelingen wird, diese Forschung in der Satzung zu verankern, heißt das noch lange nicht, daß diese Lehre dann von Externen abgehalten wird, die ja gerade auf diesem ständig sich weiterentwickelnden Gebiet die neuesten Forschungen in die Lehre einbringen. 10 Denn mit dem neuen Dienstrecht, das demnächst ausverhandelt sein wird, werden die Externen so gut wie nicht mehr konkurrenzfähig sein: ihre Stunden werden trotz massiver Kürzungen (-17,3%) teurer als die der "Internen", nachdem diesen eine Sockellehrverpflichtung von 2 Semesterwochenstunden über das Grundgehalt abgegolten wird und sie darüberhinaus zu billigeren Tarifen massiv zur Lehre beauftragt werden können. Daraus könnte folgen, daß die internen Frauen (Professorinnen und Assistentinnen), sofern vorhanden und daran interessiert, die gesamte Lehre zu Frauen- und Geschlechterforschung abhalten; sofern nicht vorhanden oder ohne Interesse, wird es gar keine Verankerung geben, weil in den Gremien, aus denen die Externen per UOG '93 ausgeschlossen sind, bestenfalls die Studierenden dafür eintreten werden.
Die Konzentration der Lehre auf die Internen würde also nicht nur, wie in anderen Bereichen auch, zu einer Eindimensionalisierung sowie zu einer Entkoppelung von Forschung und einer immer routinisierteren Lehre führen, sondern hätte auch einen negativen Effekt auf dem Gebiet der so dringenden Nachwuchsförderung von Frauen: der Frauenanteil unter den Externen ist weitaus höher als unter den Internen und erhöht die Präsenz von weiblichen WissenschafterInnen, deren Vorbildfunktion für die Entscheidung von Frauen, eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen, beträchtlich ist.

Einige Implikationen der Krise sowie einige Ansätze, an denen weiterzuarbeiten wäre

Das längst fällige Aufklaffen der Krise sowohl der Universitäten als auch der Bildungskonzepte wurde nicht durch mit Veränderungs- oder Reformwillen verbundener Kritik bewirkt sondern durch die massiven budgetären Einschränkungen. Diese betreffen innerhalb des Lehrkörpers besondes die externen Lehrbeauftragten führen aber viel allgemeiner vor Augen, daß wir es mit einem schwere Rückschlag gegenüber den Reformbestrebungen der 70er Jahre zu tun haben. Dieser Rückschlag zeichnete sich zum Teil bereits mit dem durch das UOG '93 eingeleiteten Abbau der demokratischen Mitbestimmungsrechte an den Universitäten sowie mit dem ersten Entwurf für das neue UniStG ab.
Zwar hatte nun der Ausbruch der Krise im Frühjahr 1996 einen Organisierungseffekt, der bei den Externen ein bisher nicht gehabtes Ausmaß angenommen hat, und der zu öffentlich geführten Diskussionen sowie einem breiter angelegten Reflexionsprozeß Anlaß gab. Doch ist es wichtig nun mittel- und längerfristige Konzepte unter möglichst breiter Beteiligung der Betroffenen zu erarbeiten. 11

Implikationen:

  • Die drohende Aufgabe der wissenschaftlichen Karriere seitens einer nicht unbeträchtlichen Zahl von hochqualifizierten WissenschafterInnen
  • Abschottung der Unis, Eindimensionalisierung der Lehre (das "Notwendige" gemäß die notabeln Autoritäten: Kanon, Selbstreproduktion)
  • Eine erneute Trennung zwischen Akademismus, Disziplinarität einerseits und gesellschaftsbezogener Reflexion sowie Infragestellung, die auch eine Infragestellung der akademisch institutionalisierten Denk- und Organisationsschemata impliziert. Die Tendenz zur Trennung zwischen akademischer Disziplin und gesellschaftsbezogener kritischer Reflexion zeichnet sich teilweise auch in der feministischen oder genderbezogenen Literatur ab. Es gilt hier allerdings zu unterscheiden zwischen einer sich ausdifferenzierenden fachspezifischen Forschung mit einem immer größerem Genauigkeitsanspruch und einer zuweilen absurd erscheinenden Proliferation von kommentarhafter Sekundärliteratur, die ins Unübersichtliche führt. Letztere Tendenz wirkt sich dahingehend aus, daß der Blick oder die Suche nach relevanten Fragestellungen hinter der quantitativen Rezeptionswissenschaft verschwindet.
  • Teilweises Verschwinden der feministischen / Frauen- und Geschlechterforschung von den Universitäten, wenn es nicht gesellschaftlichen Druck und Engagement dagegen gibt
  • Global gesehen stellt das kapitalistische Kurzzeitlukrativitätsprinzip und die Ersetzung von Bildung durch ebenso kurzfristig angelegte Ausbildung eine gesellschaftspolitische und kuturelle Bankrotterklärung dar, die bei aller Beschwörung der Zähl-, Auszahl- und Sparlogik von Verschwendung geprägt ist. 12 Dennoch ist gerade der Buchmarkt im akademischen Kontext keineswegs nur als negativer Faktor zu sehen. Auf dem Publikationsmarkt werden neue Forschungszweige oft viel schneller aufgenommen als an den Akademien. Gerade Wissenschafterinnen, die sich der feministischen Kritik widmen, können sich oft über einen solchen Markt gegen die ständisch-professoralen Protektionismen behaupten, obgleich diese massiv auch die Ressourcenverteilung in der Forschung bestimmen.

Ansätze:

  • Mittel- und längerfristig gälte es eine Verbindung zwischen Universität und freien bzw. außeruniversitären Wissenschaften aufrechterhalten bzw. Strukturen schaffen, die eine wissenschaftliche Karriere auch ohne fixe Anstellung nach dem Studienabschluß aber unter Abindung an die Universität ermöglichen. 13
  • Dringlich erscheint auch der Ausbau einer außeruniversitären Forschungsinfrastruktur, die an die Universitäten angebunden ist. In diesem Sinne sollte sehr wohl an das Modell der externen Lehrbeauftragten angeknüpft werden, auch wenn diese angesichts des neuen Dienstrechts in der gegenwärtigen Form nicht weiterbestehen werden.
  • Die vielbeschworene Förderung der Eliten, die ja im Übrigen auch nur auf der Grundlage einer breiten Basis gut qualifizierter WissenschafterInnen existieren kann, ist grundsätzlich in Frage zu stellen. Denn da, wo sie kein redundanter Allgemeinplatz ist (welche Institution fördert angesichts der bestehenden Konkurrenz schon explizit WissenschafterInnen, die sich nicht duch ihre Leistungen auszeichnen?), leistet sie sowohl strukturell als auch inhaltlich antidemokratischen Tendenzen Vorschub ( ja sogar dem Gegenteil von Elitenbildung im qualitativen Sinn. Denn als beschworenes Organisationsgerüst dient sie meist nur der erwähnten Selbstreproduktion von bereits herrschenden Eliten, deren Qualität und deren Auswahlkriterien nicht mehr in Frage gestellt zu werden brauchen. Das Innehaben eines Postens, zumal einer Professur (die ja kein akademischer Titel ist, auch wenn sie meistens eine Habilitation erfordert), wird schon in sich zur Qualitätsgarantie erhoben, der Unterschied zwischen aristoi (die Besten) und oligoi (die Wenigen) gerade im so qualitätsbedachten akademischen Feld nicht mehr gemacht. 14

Solche Argumentationen finden nur teilweise die Unterstützung der Internen, doch ist diese umso wichtiger. Es gibt unter ihnen einige, und das sind nicht die irrelevantesten Stimmen, die sich gegen die sich immer stärker manifestierende konservative, institutionsimmanente und institutionsreproduktive Tendenz zu Wort melden. Sollte diese strukturkonservative Tendenz sich jedoch durchsetzen, dann ist sowohl der Verdrängung kritischer Lehrinhalte wie etwa der feministischen- frauen und Geschlechterforschung als auch der eingeschlagenen Bildungs- und Intellektuellenfeindlichkeit Tür und Tor geöffnet. Was Daxner das für den gesellschaftlichen Status Quo "gefährliche Wissen" nennt, das ohnehin nicht mehr sehr verbreitet ist, muß von einer demokratiebestrebten Gesellschaft gefördert und geschützt werden, wenn es nicht wieder für die Einzelnen, die es erarbeiten und vermitteln, existenzgefährdend werden soll.

* Dr. Alice Pechriggl ist Universitätslektorin am Institut für Philosophie der Universität Wien.
** Text nach dem Vortrag am 6. 11. 1996 innerhalb der Seminarreihe Feministische Theorie und Frauenforschung (WS 96/97) am Institut für Wissenschaft und Kunst (Leiterinnen: Silvia Stoller und Eva Waniek; Referentinnen: A.P., Ingvild Birkhan/Susanne Rieser, Agnes Berlakovich, Ulrike Felt, Elisabeht Nemeth), erschienen in: Universität, Bildung und Politik. Eine Bestandsaufnahme aus feministischer Sicht, = Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst 52 (1996), Nr. 4, S.6-10.

1 Zwar konnte im Zuge der durch den Streik ausgelösten Verhandlungen mit dem Wissenschaftsministerium um ein neues Dienstrecht erreicht werden, daß nicht nur der Hochschulsport, sondern auch die frauenspezifischen Lehrveranstaltungen von den Kürzungen der Lehrauftragskontingente ausgenommen werden; doch kann dies nur für jene Universitäten gelten, an denen das UOG '93 noch nicht implementiert ist, weil dieses keine Sonderkontingente mehr vorsieht. Schließlich wurde dieser Beschluß des Ministers von den meisten betroffenen Universitäten ignoriert: zuweilen wurde gerade dieses Kontingent zugunsten anderer Lehrveranstaltungen gekürzt.

2 Regierungsvorlage, Universitäts-Studiengesetz - UniStG 1. Teil, Allgemeine Bestimmungen, Paragraph 3: Grundsätze für die Gestaltung der Studien, 7. die Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie die Gleichwertigkeit der Frauen- und Geschlechterforschung mit anderen Forschungsbereichen

3 Angesichts des geringen Frauenanteils unter den UniversitätslehrerInnen scheint die Vergabe von Lehraufträgen aus dem "Frauentopf" ausschließlich an Frauen gerechtfertigt. Das heißt nicht, daß nicht auch Männer sich der Geschlechterforschung zuwenden würden oder sollten.

4 Zum Terminus extranei im institutionellen Sinne und in Hinblick auf die Geschlechter bezüglich der Einsetzung von Erben im römischen Recht zitiert: "Die anderen, die nicht dem Recht des Erblassers unterliegen, werden externe Erben genannt. Demnach gelten ebenso unsere freien Nachfolger, die nicht unter unserer Macht stehen, wenn sie als Erben eingesetzt werden, als Externe. Aus diesem Grund zählen auch die von der Mutter eingesetzten Erben darunter, weil die Frauen keine Macht über ihre Erben haben." Gaius, Institutionen, II, 161

5 Das während des Streiks im Frühjahr 1996 gegründete österreichweite Aktionskomitee Externe LektorInnen hat sich im Oktober darauf als Verein "Interessengemeinschaft Externe LektorInnen und freie WissenschafterInnen" konstituiert. Die folgenden Reflexionen sind im Kontext unserer gemeinsamen Auseinandersetzungen entstanden. Für genauere Darstellungen siehe: Johanna Gehmacher, "Vogelfreie Wissenschaft" in: Anschläge, Mai 1996; Alice Pechriggl, "Das Profil der Externen zwischen vogelfreier Verschubmasse und Kleinhonoratioren" in: Information der Inneruniversitären Koordinationsstellen für Frauenforschung Wien, Jg. III, 2, 1996 sowie die Homepage des Aktionskomitees: www.univie.ac.at/IG-LektorInnen/ Die sozialpartnerschaftlichen Strukturen haben Wahrnehmungs- und Vorstellungsschemata geprägt, durch die hindurch allein Menschen Rechte und Pflichten bzw. Rolle in dieser Gesellschaft zugestanden werden, wenn sie als abgesicherte und eingebettete Jobholder berechenbar und administrierbar sind. Die "Freien" und "Flexiblen" werden nun zwar allseits beschworen, aber im Falle der WissenschafterInnen und externen Lehrbeauftragten werden sie es positiv letztlich nur in der Erwartung, daß sie ihre Existenz als freie WissenschafterInnen aufgeben und sich in eine unkritische Ordnungskategorie einfügen.

6 Ausgewertete Quelle: Frauenforscherin. Kommentiertes Vorlesungsverzeichnis der Frauenspezifischen und feministischen Lehrveranstaltungen an der Universität Wien, herausgegeben vom Frauenreferat der ÖH

7 Erst als Kompensierungsfaktor für die im Verhältnis mit den Studierendenzahlen ungenügende Aufstockung eingesetzt, kommt dieser Gruppe in Zeiten des Aufnahmestops eine wichtige Überbrückungsfunktion zu. (So ist auch der Anteil der Externen an den habilitierten, insbesondere Frauen, steigend.) Die Notwendigkeit einer Überbrückung setzt aber natürlich den keineswegs selbstverständlichen politischen Willen voraus, Forschung und Bildung nicht voneinander abzukoppeln und in Zukunft eine Universität zu ermöglichen, die mehr ist als eine etwas anspruchsvollere Weiterführung oder Erweiterung der Schul- und Berufsausbildung: Denn für eine solche bedarf es keiner in Forschung und Lehre qualifizierter WissenschafterInnen.

8 Es gibt hier mehrere Haltungen, durch die sich die Einzelnen unterscheiden: so gibt es Personen, die theoretisch arbeiten, u. a. als Lehrbeauftragte an der Uni, die aber mit der Institution nichts weiter zu tun haben wollen; andere, die zwar an die Institution angebunden sein wollen, die aber nach Studienabschluß nicht ( oder noch nicht einen fixen Posten dort anstreben, oder die, für die es diese Möglichkeit überhaupt nicht gab. Schließlich diejenigen, die ausdrücklich einen Posten an der Universität angestrebt und auch bekommen haben oder die die keinen bekommen haben und weiterhin einen solchen anstreben.

9 Diese Förderung ist in Österreich allerdings auch sehr spärlich: kaum Dissertationsstipendien, von postdoktoralen Förderungen und Ausbildungen im Land ganz zu schweigen.

10 Angesichts der geplanten Erhöhung der Lehrverpflichtung für Fixgestellte sowie angesichts des immensen administrativen Aufwands, den vor allem die Implementierung des UOG '93 erfordert, der aber auch sonst nicht zu unterschätzen ist, bleibt den Internen immer weniger Zeit zum Forschen. Zur Veranschaulichung dieser Problematik sei erwähnt, daß die ministeriellen Berechnungen für die Lehrverpflichtung von einer Aufteilung von 50% Lehre und 50% Forschung ausgehen und die administrative Arbeit nicht erwähnen. Bei einem ohnehin schon geringen Umrechnungsschlüssel von 1:2,5 Stunden für eine Wochenstunde wissenschaftlicher Lehre (Vorbereitung, Betreuung der Studierenden etc.) ergäben 8 Stunden genau 50%. Gehen wir aber davon aus, daß die Administration ca. 1/3 der Arbeitszeit einnimmt, dann ließen die 20 Stunden für die Lehre gerade sieben Stunden Forschung zu. Es liegt die Annahme nahe, daß gerade die Universitätsbediensteten in Zeiten, in denen alle anderen im Sinne einer gerechteren Verteilung der Arbeit ihre Überstunden über Zeitausgleich abgegolten bekommen sollten, in die gegenläufige Richtung zu gehen hätten.

11 Demokratiepolitisch gesehen gehört es zu einem der beunruhigendsten Phänomene, daß das Politikmonopol der herrschenden Vertreter schon so sehr von den Regierten verinnerlicht ist, daß sie es auch selbst nur noch dann legitim finden, sich zu organisieren, wenn es um ihre ständischen, pekuniären oder vitalen Interessen geht. Jede andere kollektiv geäußerte Stellungnahme etwa zum Funktionieren der Politik oder zu strukturellen Gesellschaftsproblemen

12 Die von Viktor Klima angestrebte Trennung von Wissenschaft und Universitäten durch die Auseinanderlegung in zwei Ministerien (Verkehr und Wissenschaft einerseits, Universitäten und Schulen andererseits) zielt in ebendiese Richtung: Wissenschaft reduziert auf Technologie, Bildung auf Ausbildung.

13 Einige Vorschläge bezüglich dieser Problematik hat Michael Daxner unter dem Stichwort "Verbleibkorridor" gemacht. M. Daxner, Ist die Uni noch zu retten?, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt, 1996

14 Die Professorentitelökonomie in Österreich sucht weltweit ihresgleichen, auch die Emeritierung bei vollen Bezügen, die es in dieser umfassenden Form nirgends gibt.