Aufruf zur Demonstration am 27.11.2010

Liebe KollegInnen und Kollegen,

wir möchten alle Betroffenen und Gruppen aufrufen an der Demonstration
teilzunehmen.

Wann: 27 November 2010
Treffpunkt „Block Kultur- Kunst- Medien- Wissensarbeit“: Brücke über den
Wienfluss bei der Urania (Radetzkybrücke)
Zeit: 13:00

Demoaufruf
Die angekündigten Sparmaßnahmen von Ministerin Beatrix Karl lassen uns sprachlos zurück. Nicht nur Universitäten sollen radikal zu Tode gespart werden, nun auch noch die außeruniversitäre Forschung.
Die Einsparungen in diesem Bereich umfassen rund 28 Millionen Euro, ein Klax angesichts der Summen, die in den letzten Jahren in den Bankensektor oder in fragwürdige Infrastrukturprojekte investiert wurden. Aber dem nicht genug, mit der Ansage es würde sich nicht um Sparzwänge, sondern um notwendige Strukturanpassungen handeln, schlägt Karl dem Fass den Boden aus.
Die nun auf Null gesetzten Forschungsinstitute sollen sich laut Karl doch stärker in die Universitäten integrieren. Angesichts der Unterfinanzierung der Universitäten und dem organisatorischen Chaos und des Raum- und Personalmangels kommt kann diesem Ansinnen nur mit Skepis begegnet werden. Schließlich hatten die Institute einen Grund, sich außerhalb der universitären Struktur zu verorten.

Solidarität mit wem?
Bisheriger Widerstand gegen die desaströsen Pläne formiert sich in erster Linie auf Leitungsebene der Forschungsinstitute. Die Welle an Solidaritätsunterschriften auf der Liste "Wissen-Schafft-Österreich" verweist auf ein breites Solidaritätspotential.
Doch hier wird auch eine problematische Einigkeit zwischen Institutsleitungen und den Belegschaften konstruiert. Die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung, als auch die oft auf die Belegschaft abgewälzte eigenverantwortliche Drittmittellukrierung, führt zu enormen Belastungen der Angestellten. Mit der Verschärfung der finanziellen Situation werden nicht nur Jobs abgebaut, von Seiten vieler Institute ist kein Kampf gegen den Trend zur Prekarisierung (z.B. in Form von freien Dienstverträgen oder ähnlichem) zu erwarten, schon gar nicht unter den jetzt drohenden Bedingungen. Wenn, dann sind es nur Tropfen auf den heißen Stein, in Form von Individuallösungen. Doch viele von uns können und wollen nicht mehr warten auf die Gnade Fortunas. Die Situation ist nicht mehr tragbar und die Vertröstung auf die Zukunft wird im Angesicht des Sparpakets zur Farce.

Kriegserklärung?
Die derzeitige Wissenschaftspolitik der Bundesregierung kann nur als eine "Kriegserklärung" aufgefasst werden. Doch nicht eine "Kriegserklärung" gegen die Wissenschaftslandschaft, wie es in diversen Kommentaren in den Medien dargestellt wird und auch nicht eine "Kriegserklärung" gegen die Wettbewerbsfähigkeit des Landes, für die der nationale oder europäische Wissenschaftsstandort so wichtig sei.
Nein, es ist eine "Kriegserklärung" an mehrere Generationen von WissenschafterInnen, deren sowieso schon sehr bescheiden aussehende Zukunft schlichtweg zerstört wird. In erster Linie sind es junge WissenschafterInnen und hier noch einmal besonders Geistes- und SozialwissenschafterInnen denen jede vernünfigte Perspektive genommen wird. Es ist auch zu befürchten, dass der Kahlschlag die Vielfalt der Forschungsansätze ausdünnen wird. Heterodoxe Ansätze werden unter einem gesteigerten Konkurrenz- und Verwertungsdruck, besonders leiden.

Hingetreten …
Sowohl die institutionelle Forschungslandschaft, also Universitäten und nun auch außeruniversitäre Forschung werden seit Jahren devastiert. Die Überforderung und oft auch Unfähigkeit der Institutionen auf die vielfältigen Problemlagen einzugehen und Lösungen anzubieten, haben in den letzten Jahren zu einer massiven Verschlechterung der Situation von tausenden WissensarbeiterInnen und –produzentInnen geführt. Ob es nun die „Kettenvertragsregeln“ für LektorInnen sind, vollkommen unverständliche und erzwungene Befristungen oder undurchsichtige Prozedere für die Verlängerungen von Verträgen, Qualifizierungsdiskriminierung o.ä. Dabei sind die vielfältigen Abhängigkeitsverhältnisse und Ohnmachtsmomente im alltäglichen Geschäft, noch nicht einmal erwähnt.

... aber nicht vertreten!!!!
Die institutionalisierten Interessensvertretungen, ob nun Gewerkschaften oder Betriebsratsgremien, scheinen immer mehrere Schritte hinterherzuhinken. Der Bereich Wissensarbeit ist aufgrund der Zuständigkeit unterschiedlicher Gewerkschaften ein zutiefst fragmentierter Vertretungsbereich. Weit und Breit ist keine integrale gewerkschaftliche Strategie zu beobachten, die Konturen umfassender Organisierungsversuche dieses Bereiches erkennen lassen. Betriebsratsgremien, so vorhanden, agieren ebenfalls unkoordiniert und mehr als zögerlich, immer zerrissen zwischen Wohl der Institution und der Belegschaften. Gegen den Druck, der auf den prekärsten Segmenten der WissensarbeiterInnen lastet, kann mit diesem Vorgehen nicht viel ausgerichtet werden. Noch dazu sind sie getrieben, vom „change management“ an den Institutionen und weit davon entfernt strategische Offensivkraft im Sinne der Beschäftigten aufzubauen.
Die kollektivvertraglichen Möglichkeiten werden in einem solchen Umfeld nicht im Sinne der Belegschaft und genützt und nicht selten gegen sie ausgelegt. Damit ist der Kollektivvertrag zwar wichtig, aber in vielen Bereichen nicht im Sinne der Belegschaften gelebt.

Deshalb muss ein Protest auch auf Ebene der Beschäftigten konstituiert werden. Weder Unterschriftenlisten von Instituten, noch Parteien, Rektoren oder Gewerkschaften, obwohl alle wichtige taktische PartnerInnen sein können, werden heute unsere Kämpfe ausfechten.

Wir möchten alle Betroffenen und Gruppen aufrufen an der Demonstration teilzunehmen.

Wann: 27 November 2010
Treffpunkt „Block Kultur- Kunst- Medien- Wissensarbeit“: Brücke über den Wienfluss bei der Urania (Radetzkybrücke)
Zeit: 13:00

Solidarische Grüsse, IG elf und Verband feministischer Wissenschafterinnen