Stellungnahme der IG externe LektorInnen und freie WissenschafterInnen zur bevorstehenden Umsetzung des Kollektivvertrags

Wien, 28.5.2009

Die Interessengemeinschaft (IG) externe LektorInnen und freie WissenschafterInnen ist angesichts der Bestrebungen Forschung und Lehre zu trennen um die Zukunft der Universitäten als Orte der Wissenschaft und der kritischen Reflexion besorgt. Für die LektorInnen kann es nicht um die Abschaffung ihrer prekären Anstellungen gehen, sondern um eine Verbesserung ihrer Anbindung an die Universitäten, langfristigere Verträge und eine entsprechend bessere Bezahlung.

Die LektorInnen der Universität Wien halten in einigen Studienrichtungen über 50% der Pflichtlehre. Unter diesen LektorInnen befinden sich einerseits junge Lehrende, die erst ihr Studium abgeschlossen haben und auf diese Weise erste Lehrerfahrungen als NachwuchswissenschafterInnen sammeln können, andererseits aber auch Lehrende, die oft auf eine langjährige Erfahrung als WissenschafterInnen aus außeruniversitären Forschungsbereichen oder aus unterschiedlichen Praxisfeldern zurückblicken können. Gerade in den Sozial-/Kultur-/Bildungswissenschaften ist der größte Anteil von LektorInnen tätig – sie machen an bestimmten Fakultäten das Doppelte oder sogar Dreifache zum permanent beschäftigten Lehrpersonal aus. Ein Teil von ihnen unterrichtet seit vielen Jahren regelmäßig – die einen zwischen 2 und 4 Semesterwochenstunden, einige bis zur derzeit gültigen Obergrenze von 7,9 Semesterwochenstunden. Ein Gros der LektorInnen in diesen Fächern sind DrittmittelforscherInnen (entweder freie oder außeruniversitäre oder temporär an die Universität angebundene) und/oder sind in Praxisbereichen tätig, die zeitgemäßes Wissen aus Forschung und Expertentum in seiner inhaltlichen Vielfalt in der universitären Lehre vermitteln.

Für die Universität Wien, die diesen LektorInnen meist keinerlei Infrastruktur oder Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt hat, war dies bislang die kostengünstigste Möglichkeit eine vielfältige Lehre sicherzustellen und wissenschaftlichem Nachwuchs Lehrerfahrung zu ermöglichen. Für jene LektorInnen, die zumindest teilweise von dieser Lehre leben mussten und keine fixe außeruniversitäre Anstellung hatten, ist diese Situation zwar äußerst prekär und auf jeden Fall verbesserungsbedürftig, allerdings gibt es auch eine Reihe von LektorInnen, die genau diese Form der Lehre wollen, da sie eben außeruniversitär forschen oder Praxiserfahrungen aus unterschiedlichen Berufen auch für Studierende nutzbar machen und damit einem Rückzug der Universitäten in einen Elfenbeinturm entgegenwirken. Für LektorInnen ohne weitere feste Anstellung war diese minimale Anstellung aufgrund der damit verbundenen Versicherung von Bedeutung.

Trotz einer qualitativ hochwertigen Lehre, die stets auf dem neuesten Stand der Forschung steht, waren LektorInnen an der Universität Wien sowie an anderen öst. Universitätsstandorten bislang strukturell benachteiligte Lehrende, die weder adäquate Arbeitsplätze noch finanzielle Unterstützung bei Konferenzteilnahmen (im Namen der Universitäten) oder nur eine minimale Infrastruktur zur Verfügung gestellt bekamen. Trotz der enormen Leistung unter diesen Bedingungen qualitativ hochwertige Lehre anzubieten, wurde die hohe Zahl der LektorInnen im Forschungsnewsletter der Universität Wien (April 2009) als „Fehlentwicklungen in der Personalstruktur“ bezeichnet, die „korrigiert werden“ müsse.

Die Interessengemeinschaft (IG) externe LektorInnen und freie WissenschafterInnen protestiert gegen die Pläne des Rektorats der Universität Wien, die bisherigen (externen) LektorInnen durch „Senior Lecturers“ (gemäß § 26(3) des Kollektivvertrags) zu ersetzen. Diese von der Universität Wien angestrebten „Senior Lecturers“ haben nichts mit den gleichnamigen Positionen an amerikanischen oder britischen Universitäten zu tun. Dort ist es selbstverständlich, dass Senior Lecturers auch forschen, ihre Positionen sind eher mit den A.O. Professuren im deutschsprachigen Raum vergleichbar. Der „international“ klingende Name des neuen Lehrpersonals soll verschleiern, dass es sich dabei um bloße Lehrer handelt, die durch eine extreme Stunden- und Studierendenüberlastung von 13 bis 16 Semesterwochenstunden, an Forschung gehindert werden. Die Universität selbst rechnet je Stunde im Hörsaal 3 Stunden Arbeitszeit (Vorbereitung, Benotung, Sprechstunden,…), was ein ohnehin zu gering bemessenes Stundenausmaß ist! Sollte das Lehrkontingent nicht insgesamt erhöht werden – und die Universität Wien ‚träumt‘ bezüglich der Umstellung auf Senior Lecturers von einer „Kostenneutralität“ – ist damit jedoch kaum ein Auslangen zu finden.

Damit blieben bei einer Vollzeitbeschäftigung allenfalls noch die Sommerferien für die Forschung übrig, was jegliche seriöse wissenschaftliche Arbeit verunmöglicht. Darunter leiden nicht nur die Vielfalt und Qualität der Lehre, die sich wesentlich aus der Forschung sowie im Falle der LektorInnen der außeruniversitären Praxis der Lehrenden speisen, sondern auch die Forschung selbst, die erfahrungsgemäß erheblich von den Anregungen aus der Lehre profitiert. Die strukturelle Trennung von Forschung und Lehre muss für alle Fakultäten der Universität Wien zurückgewiesen werden.

Bisher war die Einheit von Forschung und Lehre genau das was eine Universität von einer Schule unterschieden hat. Wer diese Einheit zerstört, zerstört damit auch die Universitäten.

Die IG externe LektorInnen und freie WissenschafterInnen fordert deshalb

  1. Die Universität Wien sollte LektorInnen und ihre wissenschaftliche Qualität, die international mitunter mehr anerkannt wird als an der eigenen Universität, endlich strukturell adäquat anerkennen! Dann kann die Universität die LektorInnen umgekehrt auch für die Aufnahme in das universitäre Wissenskapital verpflichten.
  2. Senior Lecturers Stellen dürfen die LektorInnen nicht ersetzen, sondern sollen diese ergänzen und damit endlich wieder ein vertretbares Betreuungsverhältnis in den einzelnen Studienrichtungen ermöglichen.
  3. Senior Lecturers sollen je nach Fach und Lehrveranstaltungen nicht mehr als 8 Semesterwochenstunden für eine Vollzeitstelle lehren. Der Rest der Zeit soll für die Forschung zur Verfügung stehen.
  4. Senior Lecturers brauchen einen vollwertigen Arbeitsplatz an der Universität.
  5. Eine adäquate Infrastruktur, entsprechend dem österreichischen Arbeitsrecht, muss auch für alle anderen Lehrenden, also auch für die LektorInnen zur Verfügung gestellt werden.
  6. Für die damit weiterhin lehrenden LektorInnen verlangen wir (gemäß § 29 des Kollektivvertrags), dass diese in länger als jeweils nur 6 Monate dauernde Arbeitsverhältnisse überführt werden. Alternativ dazu könnten auch Arbeitsverhältnisse auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden, wie das der Kollektivvertrag § 29 (2) in Aussicht stellt.
  7. Wir verlangen eine Aufstockung der Gehälter, die dem realen Arbeitsaufwand für gute Lehre entspricht! Die IG kritisierte bereits mehrfach die willkürliche, vom realen Arbeitsaufwand entkoppelte Festlegung der Arbeitszeit für eine Lehrveranstaltung. Insbesondere bei der Vorbereitung neuer Lehrinhalte und bei höheren TeilnehmerInnenzahlen ist der reale Zeitaufwand je Lehrveranstaltung allerdings deutlich höher. Ein Lehrauftrag mit zwei Wochenstunden pro Semester soll einem Teilzeitbeschäftigungsverhältnis im Ausmaß von 10 Wochenstunden (in Ausnahmefällen bei nachweislich geringerem Aufwand 8 Wochenstunden) mit sechs Monaten Gesamtdauer entsprechen.
  8. Wenn habilitierte UniversitätsdozentInnen im Rahmen ihrer Venia Pflichtlehrveranstaltungen abhalten, fordern wir deren adäquate Abgeltung gemäß dem Kollektivvertrag.