Wenn extern zu intern wird – die besonderen Rechtsverhältnisse Zur Situation der Lektorinnen und Lektoren österreichischen Universitäten an

Besonderes Rechtsverhältnis

Die externen Lektoren und Lektorinnen waren bis 1. Jänner 2004 extern, weil sie keine Bediensteten, keine BeamtInnen der Universitäten waren, weil sie keine Angestellten der Universität waren, weil sie keine Vertragsbediensteten waren, weil sie, ja, weil sie besonders waren. Durch die Erteilung eines Lehrauftrages wird kein Dienstverhältnis begründet. Die Abgeltung richtet sich nach besonderen gesetzlichen Bestimmungen(UOG 1993, BGBl. 1993/805§ 30 Abs.1) Die Lehrtätigkeit und vor allem die Bezahlung – Remuneration [i] genannt, damit ja nicht der Eindruck entsteht, es würde sich um Löhne oder Gehälter handeln – wurde durch ein besonderes Rechtsverhältnis zum Bund im Bundesgesetz über die Abgeltung von wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten an Universitäten und Universitäten der Künste geregelt. Nein, die jährlichen oder manchmal gar semesterweisen Verlängerungen der Lehraufträge waren keine Kettenverträge; nein, einen Urlaubsanspruch gab es nicht; ja, die Lehrveranstaltungen waren nachzuholen, wenn die/der Lektorin krank war; ja, einmal waren Lehraufträge lohnsteuerpflichtig, einmal waren sie einkommenssteuerpflichtig, dann wieder durften es sich die Lektoren und Lektorinnen aussuchen, je nach dem, was es gerade war.

Überaus besondere Rechtsverhältnisse

Im derzeit gültigen Universitätsgesetz (UG 2002, BGBl. I 2002/120 zuletzt geändert durch BGBl. I 2006/74) sind die Lehrbeauftragten – so heißen sie dort – vor allem in den Übergangsbestimmungen zu finden, wie das ist, wenn das beendet ist. Der Abschluss oder die Verlängerung eines solchen besonderen Rechtsverhältnisses zum Bund durch die Universität ist mit Wirksamkeit ab dem Stichtag unzulässig,weil die Universitäten sind ja nicht mehr Bund, sind zwar immer noch irgendwie staatlich aber doch wieder nicht. Wie das so ist heute mit dem Staat und seiner Verantwortung und der Ausgliederung, der Eigenverantwortung, der Planbarkeit, der Flexibilität, der InnovationSeit 1. Jänner 2004 haben die extern/internen Lehrbeauftragten ein Rechtsverhältnis zu einer , was die Universitäten jetzt sind.Welches Rechtsverhältnis, darüber waren sich die Universitäten am Anfang nicht so ganz einig, die einen vergaben Werkverträge, die anderen freie Dienstverträge, hie und da wurden die Lehrbeauftragten wieder angestellt, befristet versteht sich, für ein Semester, manchmal sogar zwei, keineswegs unbefristet, soll ja alles flexibel sein, soll alles mobil sein, soll alles innovativ sein. Ein zweistündiger Lehrauftrag wurde nicht etwa als mehrstündige Beschäftigung gerechnet, nein, nein, zwei Stunden vielleicht drei, maximal vier Stunden. Vorbereitungszeit? Prüfungszeiten? Sprechstunden? Betreuung der Studierenden? Und das soll alles bezahlt werden, nein das wird viel zu teuer, da mal 60 Minuten Vorbereitung pro Lehrveranstaltung, da mal 90, da mal dies, da mal das. Jede Universität in Österreich tat wie sie wollte, weil jetzt konnte autonom entschieden werden, endlich, kein gar nichts, am besten gar kein Rechtsverhältnis. Nach den ersten Wirren und Klagsdrohungen von LektorInnen war zumindest klar: Werkvertrag geht nicht, Lehre ist kein Werk, bei dem sich der Lektor, die Lektorin z.B. vertreten lassen kann. Denn wenn Werkvertrag, dann sind die LektorInnen auch keine Beschäftigten der Universität. Dann können sie nicht vom Betriebsrat vertreten werden, dann können Sie den Betriebsrat auch nicht wählen, dann können Sie auch nicht in den Betriebsrat gewählt werden.

Nach dem Universitätsgesetz 2002 zählen Lehrbeauftragte wieder zu den , zum so genannten Mittelbau. Aus dem waren die Lehrbeauftragten nämlich nach Umsetzung des UOG 93 (BGBl. 1993/805) eliminiert worden, mal so als ersten Schritt. Nun sind sie wieder dabei: „Lehrbeauftragte gemäß § 30 UOG 1993 oder § 31 KUOG [Kunstuniversitäts-Organisationsgesetz] gelten organisationsrechtlich als wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Forschungs-, Kunst- und Lehrbetrieb gemäß § 100 dieses Bundesgesetzes“[UG 2002]. Ja gut, sie sind wieder Teil des Mittelbaus, dann wenn der Mittelbau ohnehin keine Mitbestimmungsmöglichkeiten mehr hat, dann wenn die Kollegialorgane zu Gunsten monokratischer Organe abgeschafft werden, dann wenn weniger Lehraufträge vergeben werden, weil die Lehrverpflichtung der Kollegen und Kolleginnen schwuppdiwupp an einigen Universitäten erhöht wurde, dann wenn die nach dem 1. Jänner 2004 angestellten wissenschaftlichen MitarbeiterInnen 4, 6, 8 Stunden lehren müssen, ja dann kann man großzügig sein, dann dürfen die Externen/Internen wieder dabei sein.

Ganz normal

So, kein Rechtsverhältnis der besonderen Art mehr und damit auch keine vom Gesetzgeber festgelegte Remuneration, wir zahlen, was wir wollen, und wer nicht will, der muss ja nicht. In Zeiten, in denen Geiz geil ist und die Universitäten ja ganz aktuell und modern sein wollen, begann jede Universität die Höhe der Gehälter je nach Lust und Laune festzulegen. Mal weniger, praktisch nie mehr. Ein Blick auf die größte Bildungseinrichtung des öffentlichen Rechts in Österreich, die Universität Wien: Dort gibt es eine Betriebsvereinbarung zwischen der Universität Wien als Arbeitgeber und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Universität Wien, vertreten durch den Betriebsrat für das Wissenschaftliche Universitätspersonal und den Betriebsrat für das Allgemeine Universitätspersonal (geschlossen am 23. August 2005) in der unter anderem auch die Gehälter festgelegt wurden. In einer aktuellen Version Information zur Lehre[ii] liest sich das folgendermaßen:

  • Für Lehrveranstaltungen aus einem wissenschaftlichen Fach mit Ausnahme des universitären Sprachunterrichts (LVG1): € 1.204,39,-
  • Für universitären Sprachunterricht (LVG 2): € 1.021,59,-
  • Für Lehrveranstaltungen aus einem wissensch. od. praktischen Fach, bei denen die Leiterin oder der Leiter eine überwiegend anleitende oder kontrollierende Tätigkeit ausübt (LVG 3): € 649,49,-
  • Für Lehrveranstaltungen, die von besonders qualifizierten externen Fachleuten („Experten“) abgehalten werden (LVG 4): €490,36,-
    […]
    Abgeltung von Lehre aufgrund  der venia docendi
  • Für Lehrveranstaltungen, die von emeritierte Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren, von Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren im Ruhestand oder Privatdozentinnen und Privatdozenten in Ausübung ihres Rechts auf Grund der venia docendi oder einer gleichzuhaltenden Qualifikation abgehalten werden (LVG 5): €490,36,-

 

Die Kategorisierungen der Lehre und damit einhergehend die Bezahlung folgt dem alten Schema der Lehraufträge a) b) c) und so weiter – müsste nicht sein, wird aber gemacht. Hinzugekommen sind aber noch weitere Kategorien, damit es ja unübersichtlich bleibt, damit je nach dem entschieden werden kann. Zum Beispiel der Lehrauftrag von besonders qualifizierten externen Fachleuten („Experten“), gerne auch als Praktiker und PraktikerInnen denunziert, bekommen lediglich ein Drittel von dem, was jene bekommen, die wissenschaftlich lehren. Leicht lässt sich dieser oder jene als Experte oder Expertin bezeichnen und sind wir nicht alle ExpertInnen für dies oder das. Sind freie WissenschafterInnen keine ExpertInnen – nein Gott sei Dank nicht, denn sonst müssten sie sich mit € 490,36 begnügen. Besonders abwegig ist es jedoch, dass Personen die habilitiert wurden, also nach den herrschenden Kriterien die höchste universitäre Qualifikation vorweisen, ebenso lediglich € 490,36 für eine Lehrauftragsstunde erhalten. Zu alledem kommt noch, dass kein Arbeitsverhältnis begründet wird und keine Sozialversicherungspflicht gegeben ist. Wenn jene die seit Jahren um nicht zu sagen seit Jahrzehnten von Projekt zur Projekt in überwiegend prekären Verhältnissen als Freie WissenschafterInnen arbeiten, es schaffen – oft gegen zahlreiche Widerstände – habilitiert zu werden, dann verdienen sie nachher gleich um zwei Drittel weniger. Nein, nein, so war das ja gar nicht gemeint, nur für jene, die lesen müssen, damit sie ihre venia docendi erhalten, das waren die früheren nicht-remunerierten Lehraufträge. Da und dort und wiederum bei dieser Studienrichtung und bei jener werden auch diejenigen, mit € 490,36 abgespeist, die bevor sie habilitiert wurden, noch drei Mal so viel bekamen. Weg mit all diesen sinnlosen Unterscheidungen von ExpertInnen und PraktikerInnen und Habilitierten und Sprachunterricht und, und, und…….

Das wird sich dann schon regeln, wenn es erst einmal den Kollektivvertrag gibt, da wird dann alles klar sein. In regelmäßigen Abständen werden nun seit Jahren Mails gesendet, Presseaussendungen verschickt, Statements verbreitet, in ein paar Wochen ist er fertig, der Kollektivvertrag, Endspurt, ab Herbst tritt er in Kraft, mit 1. Jänner dann, na ja dann….Also am 13. April 2007 war es dann soweit, der Kollektivvertrag wurde unterzeichnet, gut so, schön so. Dort sind es wieder die Lektoren/Lektorinnen, die es im Universitätsgesetz gar nicht gibt. Und es bleibt alles, wie es ist und manchmal noch schlechter, jede Universität darf weitere Lehrveranstaltungskategorien bei Lektoren/ Lektorinnen bilden, LektorInnen sind selbstverständlich teilzeitbeschäftigt und „ausschließlich mit der Durchführung von Lehraufgaben in einem wissenschaftlichen, künstlerischen oder praktischen Fach betraut“. Was dann alles zu Lehre gehört, lesen wir dann ein paar Absätze weiter:„die Vorbereitung auf die Lehrveranstaltungen, die Betreuung der Studierenden während der Lehrveranstaltungen, die Abnahme von Prüfungen über Lehrveranstaltungen, die Mitwirkung an Evaluierungsmaßnahmen sowie die mit der Durchführung der Lehraufgaben verbundene Verwaltungstätigkeit. Prüfungen sind bis einschließlich drei Monate nach Beendigung der Lehrveranstaltung an höchstens zwei, mit dem Arbeitgeber zu vereinbarenden Tagen abzunehmen.“

Als sie noch besonders waren die LektorInnen, da mussten wie wenigstens nicht an Evaluierungsmaßnahmen mitwirken. Und es gibt eine eigene Gehaltsgruppe nur für die LektorInnen, B2 heißt sie, und wenn ich es ausrechne, dann bleibt auch da alles wie gehabt, nicht mehr, ein bisschen, nach elf Jahren Lehrtätigkeit…. Der Herr Finanzminister findet, er ist ohnehin nicht zuständig, wie er in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage kundtut: „Der Kollektivvertrag wurde zwischen dem Dachverband der österreichischen Universitäten und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst als Kollektivvertragspartner abgeschlossen. Daher sind auch sämtliche Bestimmungen von den Kollektivsvertragspartnern zu verantworten. Der Bund kann keine Garantie für eine budgetäre Absicherung von Vereinbarungen übernehmen, an deren Zustandekommen er nicht beteiligt ist. Eine derartige Garantie zur finanziellen Absicherung eines Kollektivvertrags durch den Bund würde negative Anreize liefern, zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Verträge abzuschließen.“[iii]

Gut, also wieder nichts, kein Kollektivvertrag, keine Anrechnung von Vordienstzeiten für die LektorInnen, auch keinen Fahrtkostenzuschuss oder irgendwas dergleichen, aber dafür Verwaltungstätigkeit, Evaluierungsmaßnahmen, vielleicht noch dies und das, gewissermaßen immer besonders das Rechtsverhältnis, aber immerhin ein Verhältnis.

 

Eva Blimlinger, Historikerin, Projektkoordination Kunst & Forschungsförderung an der Universität für angewandte Kunst

 


Anmerkungen

 

[i] Der Begriff der Remuneration wird vor allem dann verwendet, wenn es um besondere Formen der Entlohnung geht, wie zB im Gutsangestelltengesetz.

[ii] INFORMATIONEN ZUR LEHRE, VR SEBÖK (Stand 4. Oktober 2007)