Kennzahl: Permanenz – Für eine Uni ohne Ablaufdatum!
Rede gehalten bei der Abschlusskundgebung der Demonstration „Bildung brennt weiter“, Wien Votivpark, 3.3.2021
Anton Tantner (IG LektorInnen und WissensarbeiterInnen, ig-elf.at)
Die Proteste der letzten Monate haben bewirkt, dass manche der für Studierende und Lehrende geplanten Verschlechterungen gelindert wurden – zurückgenommen wurden sie allerdings nicht: Die Änderungen für Studium, Lehre und Forschung sollen nun weniger schlecht als ursprünglich geplant ausfallen, insgesamt werden Studien- und Arbeitsbedingungen schlechter als sie es ohnehin schon sind.
Die Werbekampagne des Wissenschaftsministeriums behauptet, dass mit der neuen Regelung des berüchtigten Paragraphen 109 „Rechtssicherheit“ für so genannte „Jungwissenschaftler/innen“ geschaffen würde – dabei sind diese „Jungwissenschaftler/innen“, die Angehörigen des so genannten „wissenschaftlichen Nachwuchs“ oft älter als 40 oder gar älter als 50 Jahre; es gibt wohl kaum eine Branche in Österreich, in der man in diesem Alter noch zum „Nachwuchs“ zählt, außer in der Wissenschaft. „[B]erufliche Perspektive und Planbarkeit“ sollen nun möglich werden, doch die sichere Perspektive für die Mehrheit der prekär Lehrenden und Forschenden ist die Sicherheit einer nach acht Jahren fallenden Guillotine.
In den Leistungsvereinbarungen sollen die Universitäten nun künftig angeben, welche „Maßnahmen sie zur Verstetigung von Beschäftigungsverhältnissen“ ihrer Lehrbeauftragten zu setzen gedenken. Ohne unsere Proteste in den letzten Monaten hätte wohl nicht einmal diese zahme Formulierung Aufnahme in den geplanten Gesetzestext gefunden – es wird an uns Lehrenden liegen, an unserer weiteren Organisierung und an unseren Protesten, dass dieser Passus nicht Papier bleibt, sondern dass die darin versprochene Verstetigung Realität wird.
Wir von der IG LektorInnen und WissensarbeiterInnen wollen an dieser Stelle wieder einen konstruktiven Vorschlag einbringen, formuliert in der vergifteten Sprache des Managements und der Betriebswirtschaft: Wir fordern die Einführung einer neuen Kennzahl, an der sich Universitätspolitik künftig ausrichten soll, die Einführung einer Kennzahl, die zumindest aus der Perspektive der Ministerialbürokratie und der Universitätsleitungen als Indikator für qualitative Forschung und Lehre herangezogen werden soll. Diese Kennzahl ergibt sich aus dem Anteil unbefristeter Arbeitsverhältnisse an der Gesamtzahl der an den Universitäten abgeschlossenen Arbeitsverhältnissen des wissenschaftlichen Personals.
Derzeit liegt diese Kennzahl, nennen wir sie vorläufig „Permanenz“ oder „permanent ratio“, zwischen 15 und 30 Prozent; sie sollte aber zwischen 70 und 90 Prozent liegen. Die Erreichung dieser Kennzahl, der geforderten „Permanenz“ sollte in den Leistungsvereinbarungen festgeschrieben werden.
Anders gesprochen: Es braucht Arbeitsverträge, die garantieren, dass die überwiegende Mehrheit der Forschenden und Lehrenden ihre Tätigkeit ohne Ablaufdatum, ohne drohende Guillotine ausüben kann, auch zur Verbesserung von Lehre und Forschung.
Unsere darüber hinaus gehenden Forderungen bleiben bestehen, denn was wir brauchen, sind nicht weniger schlimme Verschlechterungen und auch nicht die Linderung eines katastrophalen Zustands, sondern wir brauchen und fordern eine grundsätzliche Trendwende:
Wir brauchen Personalmodelle, die gute Arbeitsverhältnisse an den Universitäten garantieren, auf allen Ebenen.
Wir brauchen eine Universitätsorganisation, die demokratische Zustände an den österreichischen Universitäten herstellt.
Wir wissen, dass wir eine solche Trendwende von der jetzigen Regierungskoalition nicht erwarten können. Wir wissen auch, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler leicht erpressbar sind, denn ihre Begeisterung für die Wissenschaft, ihre Obsession für Forschungsfragen, ihre Freude an der Arbeit mit Studierenden lässt sie die Widrigkeiten des Universitätsbetriebs und seiner Arbeitsbedingungen in Kauf nehmen, oft ohne Rücksicht auf das eigene Wohlergehen.
Am liebsten würden wir unsere Zeit fast ausschließlich mit Lehre und Forschung verbringen; die letzten Monate haben vielen von uns die Notwendigkeit vor Augen geführt, uns zu organisieren, uns in Gruppen wie „Bildung Brennt“ und „Uns reicht’s“ zusammenzuschließen, uns digital in Videokonferenzen und auf Demonstrationen zu versammeln, um Kritik zu üben, um unsere Wut über unerträgliche Zustände zu formulieren, um offene Briefe zu verfassen, um Alternativen zu erarbeiten und zu diskutieren.
Auch wir von der IG LektorInnen und WissensarbeiterInnen haben uns an diesem Prozess beteiligt – diese „wirkliche Bewegung“ gilt es nun fortzusetzen und zu verstetigen. Wir werden in den nächsten Monaten gemeinsam mit unseren KollegInnen, mit Gewerkschaft und Arbeiterkammer die Diskussion darüber führen, welche demokratische Organisationsform die beste ist, welche Personalmodelle an den Universitäten am wünschenwertesten sind – organisieren wir uns also weiter, um den „jetzigen Zustand“ aufzuheben, befreien wir uns von den Kettenverträgen, möge uns die Kennzahl der „Permanenz“ dabei unterstützen.
Anton Tantner ist Vorstandsmitglied der IG LektorInnen und WissensarbeiterInnen und Lehrbeauftragter an der Universität Wien // http://tantner.net // Twitter: @adresscomptoir