Wien, 21. Mai 2012

Stellungnahme der IG LektorInnen und WissensarbeiterInnen zu den untragbaren Aussagen seitens des Rektorats am 2. Mai 2012 hinsichtlich der Qualität der universitären Lehre

Mit dem Amtsantritt von Rektor Engl waren noch im Herbst 2011 seitens vieler AkteurInnen der Universität Wien große Hoffnungen verbunden. Hoffnungen, die sich unter anderem daran knüpften, dass Rektor Engl dem Vernehmen nach – anders als sein Vorgänger Rektor Winckler – zugänglicher sei und vermehrt auf Dialog mit allen Interessensgruppen innerhalb und außerhalb der Universität Wien setzen wolle.

Heute – nach einigen Monaten Amtszeit – sind diese Hoffnungen zum Großteil zerstört. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass sich die Geisteshaltung, mit der das Rektorat dem Großteil der Universitätsangehörigen gegenüber tritt, leider nicht verbessert hat.

Die ersten Reaktionen des Rektorats auf Proteste von Studierenden der "Internationalen Entwicklung (IE)" (eine symbolische Besetzung des Rektorats, sowie eine ebenso symbolische Besetzung des Audimax) Ende April 2012, die gegen die Abschaffung ihres Bachelorstudiums Protest einlegen wollten, beantwortete das Rektorat mit dem Einsatz des externen Security-Personals, der WEGA (Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung) und einer zweitägigen Sperre des Universitätshauptgebäudes, was einer Aussperrung von Studierenden und LektorInnen (diese bekommen nämlich keinen, für einen Zutritt notwendigen Dienstausweis seitens der Universität) gleichkam.

Diese Vorgehensweise ist nicht den Werten einer humanistischen Universität verhaftet. Aus gewerkschaftlicher Sicht würde man dieses Vorgehen mit drei Schlagworten beschreiben, die an die dunkelsten Zeiten unternehmerischer Anti-Gewerkschaftsstrategien erinnern: Werkschutz, Bereitschaftspolizei und Aussperrung.

Doch das Repertoire an gelebter Herrschaftlichkeit, mit dem das Rektorat neuerdings auch offen auftritt, ist damit noch nicht erschöpft.

Am 23. April hat das Rektorat eine E-Mail über seinen Verteiler ausgesandt, in der unter anderem folgender Inhalt zu lesen ist: "Der Universität Wien fehlen aus diesem Grund (Ausfall von Studiengebühren, Anm. d. Verf.) neun Millionen Euro jährlich, dies entspricht der Finanzierung von etwa 150 Stellen für JungwissenschafterInnen (Post-Doc)." Es ist dies ein offensichtlicher, wenngleich auch sehr plumper Versuch, unterschiedliche Gruppen an der Universität gegeneinander auszuspielen.

Diese Strategie des divide et impera führte das Rektorat auch am 2. Mai – im Zuge einer Diskussionsveranstaltung bezüglich der Zukunft der Studienrichtung "Internationale Entwicklung" - fort (Siehe dazu den verfügbaren Stream auf dem Medienportal der Universität Wien). Die vorgetragene Argumentation, die uns neu ist, lautete: Die Lehre der IE werde hauptsächlich von LektorInnen getragen, die „nur“ einen Magistertitel hätten, und das sei keine Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Lehre. Man müsse aufgrund dieses Umstandes die Studierenden vor dieser Lehre "schützen"“ und die Schließung eines minderwertigen Bachelors sei deshalb "im Sinne der Studierenden".

Nicht nur, dass diese Behauptung ein Schlag ins Gesicht eines großen Teils der Lehrenden ist, die mit hoher Professionalität, unter Aufbringung vieler unbezahlter Arbeitsstunden und unter prekären Vertragsbedingungen arbeiten; es ist auch ein Zeichen dafür, wie dieses Rektorat gegenwärtig und in Zukunft mit großen Teilen der Belegschaft umzugehen gedenkt und wie fern der Lehrrealität eben dieses Rektorat agiert. Man kann es aber auch anders ausdrücken: Das Rektorat versucht – durch eine Strategie des Ausspielens – die eigene Belegschaft zu einer Manövriermasse zu machen.

Deshalb grenzt es in unserer Wahrnehmung an Zynismus, wenn das Rektorat auf der Diskussionsveranstaltung vom 23. April im Juridicum bezüglich der finanziellen Situation der Universität Wien einfordert, die Universitätsangehörigen sollten solidarisch zu ihrer Universität stehen.

Sehr geehrte Damen und Herren des Rektorats, die Angehörigen dieser Universität sind mit der Institution jeden Tag solidarisch. Jeden Tag liefern Studierende, LektorInnen, Jungwissenschafter-Innen und alle MitarbeiterInnen die Grundlage dafür, dass diese Universität trotz der prekären Verhältnisse weiter funktioniert. Und für viele unter uns gilt: Wir sind schon alleine dahingehend solidarisch, als wir dieser Institution nicht den Rücken kehren, und dies trotz eines Managements, das ganz offensichtlich lieber die Angehörigen der Universität spaltet, beleidigt, herabsetzt sowie polizeilich "be(amts)handeln" lässt.

Sehr geehrte Damen und Herrn des Rektorats, wir fordern Sie auf: Wenn Sie die Universität, wie im "Hochglanz"-Imagefilm der Universität Wien erwähnt, als die Einheit von Lehrenden, Forschenden und Studierenden sehen, dann handeln Sie auch danach!

Wenn Sie Ihre Geisteshaltung gegenüber einem Großteil der Angehörigen dieser Universität nicht grundsätzlich überdenken, wird es die universitas magistrorum et scholarium (die Einheit von Lehrenden und Lernenden) wahrscheinlich nur als eine Bewegung gegen das Rektorat geben.

Wenn Sie Solidarität im Kampf um eine bessere Universität wollen, was nicht nur die Ausfinanzierung betrifft, dann vergessen Sie nicht, dass Solidarität kein institutioneller, verordneter Zustand ist, sondern ein soziales Verhältnis, das auch in Widersprüchen Existenzfähigkeit beweisen sollte.

Zu guter Letzt, wenn Sie, sehr geehrte Damen und Herrn des Rektorats, auf der Diskussionsveranstaltung vom 23. April wortwörtlich sagen: "Man merkt noch nicht, wie schlimm die Lage wirklich ist", dann geben wir Ihnen recht. Man merkt es nicht, weil die MitarbeiterInnen tagtäglich mit Ihrer Leistung die prekäre Lage der Universität ausgleichen - trotz der persönlich oft nicht minder prekären Situation.

IG LektorInnen und WissensarbeiterInnen
www.ig-elf.at