Offener Brief an den Präsidenten der Arbeiterkammer Herbert Tumpel, 4.2.2004

IG Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen
c/o Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien
Spitalgasse 4
A-1090 Wien

Herbert Tumpel
Präsident der Arbeiterkammer
Prinz Eugen Strasse 20-22
1040 Wien

Wien, am 4. Februar 2004

Sehr geehrter Herr Präsident!

Mit dem undatiertem Schreiben "Willkommen in der AK Wien" begrüßen Sie die Vertragsbediensteten der Universitäten, die auf Grund des Universitätsgesetzes 2002 nunmehr Angestellte der jeweiligen Universitäten und damit Mitglied der Kammer für Arbeiter und Angestellte sind.

Unter der Überschrift "Wer ist neues AK-Mitglied?" müssen wir lesen: "Ebenfalls keine AK Mitglieder sind Tutoren, Studienassistenten, Demonstratoren, Lehrbeauftragte, Gastprofessoren, die ein Rechtsverhältnis eigener Art (gemäß UniAbgG) zum Bund haben." Es dürfte betrüblicherweise offensichtlich Ihrer Aufmerksamkeit entgangen sein, dass durch die so genannte Ausgliederung der Universitäten, die Rechtsverhältnisse besonderer Art zum Bund seit 1. Jänner 2004 (siehe Fristen und Übergang § 133 Universitätsgesetz 2002) nicht mehr bestehen. Der Verweis auf das Universitätsabgeltungsgesetz - vor allem was die Lehrbeauftragten betrifft - zeigt eine besondere Unkenntnis! Wir dürfen in diesem Zusammenhang auf §143 Universitätsgesetz 2002 verweisen und zitieren Abs (6):
Das Bundesgesetz über die  Abgeltung  von  wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten an Universitäten und Universitäten der Künste, BGBl. Nr. 463/1974, tritt, soweit nicht die §§ 132 Abs. 2 und 133 Abs. 3 anderes bestimmen, mit Ablauf des 31. Dezember 2003 außer Kraft. [In den §§ 132 und 133 werden lediglich die Übergangsbestimmungen geregelt]

Das Abgeltungsgesetz ist also außer Kraft und es gibt auch keine besonderen Rechtsverhältnisse zum Bund, da die Universitäten - wie Sie ja wissen - nicht mehr "Bund" sind. In Hinkunft werden alle Beschäftigten (ausgenommen BeamtInnen und nur diese!) Angestellte (oder ggf. ArbeiterInnen) sein! Neben den bisherigen LektorInnen gilt das insbesondere auch für die studentischen MitarbeiterInnen der Universitäten, die bisher (vgl. StudienassistentInnen) bis zu 20 Stunden in der Woche für die Universitäten tätig waren, ohne arbeitsrechtlichen Schutz zu genießen.

In den letzten Jahren und insbesondere seit den letzten Monaten ist die IG Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen darum bemüht, dass in den laufenden Kollektivvertragsverhandlungen jedem Versuch, die nun notwendigen Anstellungsverhältnisse durch Formen scheinselbständiger Beschäftigung - entweder freier Dienstvertrag oder Werkvertrag - zu umgehen, entgegengetreten wird. Es geht dabei um nicht weniger als zu verhindern, dass durch die Umgehung von Dienstverhältnissen für ehemalige Externe LektorInnen (rund 6.000 an österreichischen Universitäten), Personen elementare ArbeitnehmerInnenrechte - vom Wahlrecht zum Betriebsrat, der letzten demokratischen Einrichtung der Universitäten, bis zum Kündigungsschutz und der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall - abermals vorenthalten werden.

In einer rechtlich unverbindlichen Vorvereinbarung haben die KollektivvertragsparnterInnen - der Dachverband der österreichischen Universitäten und die Gewerkschaft öffentlicher Dienst - den Universitäten bis zum Inkrafttreten des Kollektivvertrags empfohlen, mit WissenschafterInnen, die nur im Lehrbetrieb zum Einsatz kommen - den bisherigen LektorInnen - unselbständige Dienstverhältnisse im Rahmen des Angestelltengesetzes zu schließen. Ab einer Lehrverpflichtung von mehr als 3 Wochenstunden wurde dies sogar als verbindliche Regelung aufgetragen. Diese Entscheidung stand bereits unter dem Eindruck umfangreicher rechtlicher Gutachten und der Haltung einzelner Sozialversicherungsträger, derzufolge Lehraufträge an Universitäten nicht die Eigenschaften aufweisen, um im Rahmen selbständiger Tätigkeit ausgeübt werden zu können.

Einzelne Universitäten, wie etwa die Universität Wien, haben in ihren Mitteilungsblättern bereits kundgetan, der Empfehlung der Kollektivvertragsparteien zu folgen und Lehrbeauftragen Dienstverträge nach dem Angestelltengesetz anzubieten. Andere Universitätsleitungen - z.B. jener der Universität Innsbruck - planen jedoch, Lehrbeauftragte auf Basis freier Dienstverträge zu beschäftigen und zugleich die Gelegenheit zu nutzen, das Entgelt für Lehre deutlich zu senken.

Wenn Sie am Ende des oben erwähnten Briefes schreiben: "Ihre Arbeiterkammer tritt für Ihre Rechte ein und steht Ihnen mit Rat und Tat zur Seite, wenn Sie uns im Berufsleben brauchen." so können wir nur hoffen, dass das tatsächlich genau für jene Realität ist, die darum kämpfen müssen, damit ihnen der Arbeitgeber nicht einseitig den Status eines/einer ArbeitnehmerIn und den damit verbundenen Rechten vorenthält. Die ersatzlose Abschaffung der - letztlich diskriminierenden - Regelungen des Abgeltungsgesetzes stellt - aus der Perspektive der ArbeitnehmerInnen - den einzigen erfreulichen Aspekt der Universitätsreform 2002 dar. Aus der Sicht der IG wäre deshalb nichts nahe liegender, denn das aktive Aufgreifen der Problematik der LektorInnen und studentischen MitarbeiterInnen durch die Arbeiterkammer.

Wir sind gerne bereit Sie über die Situation der LektorInnen und Freien WissenschafterInnen in einem persönlichen Gespräch aufzuklären!

Wir verbleiben mit freundlichen Grüßen

Mag. Günter Hefler e.h.
guenter.hefler@episteme.at
(Präsident der IG)

Mag. Eva Blimlinger
eva.blimlinger@oesta.gv.at
(Vorstandsmitglied der IG)