Resolution gegen die Abschaffung des gebührenfreien Universitätszugangs, 5.10.2000
Resolution gegen die Abschaffung des gebührenfreien Universitätszugangs
des Verbandes feministischer Wissenschafterinnen - Verein zur Förderung freier feministischer Wissenschafterinnen und feministischer Wissenschaften in Österreich
und der
Interessensgemeinschaft Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen
5. Oktober 2000
Der Verband feministischer Wissenschafterinnen und die Interessensgemeinschaft Externer LektorInnen lehnen die Einführung von Studiengebühren grundsätzlich ab und unterstützen die Protestaktionen der Studierenden! Studiengebühren stehen jeglichem demokratischen Grundverständnis entgegen. Demokratie erfordert Mitbestimmung aller Bürgerinnen und Bürger und politische Mitbestimmung erfordert die bestmögliche Bildung möglichst vieler EinwohnerInnen. Die überfallsartige Einführung von Studiengebühren an den zentralen staatlichen Bildungsinstitutionen - den Universitäten - ist zutiefst undemokratisch! Statt Studiengebühren brauchen unsere Universitäten dringend geeignete Stipendienprogramme und Förderungen für Studierende, um dem Anti-Bildungstrend politisch dezidiert entgegenzuwirken und die Qualität - der Ausbildung - zu sichern. Unbelegte und diffamierende Zahlenspiele über Studierende sind höchstens geeignet, dem Ansehen dieser Gruppe in der Öffentlichkeit zu schaden und sicher nicht, das erklärte Ziel, die Erhöhung der AkademikerInnenquote, zu erreichen.
Volkswirtschaftlich fahrlässig
Die Einführung von Studiengebühren ist allerdings nicht nur aus demokratiepolitischen, sozial- und bildungspolitischen Gründen untragbar, sie ist außerdem aus volkswirtschaftlichen Gründen abzulehnen. In ihrer Studie zum gebührenfreien Hochschulzugang und dessen Alternativen, die im übrigen von der Homepage des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kunst entnommen werden kann, kommen Univ.Prof. Dr. Richard Sturn und Dr. Gerhard Wohlfahrt zu dem Schluß, daß "die Einführung von Studiengebühren in Österreich zurückzuweisen ist". Wird die gegenwärtige Förderung von Großkapital berücksichtigt, so ist der fahrlässige Umgang mit dem größten Kapital einer Gesellschaft, nämlich die bestmögliche Bildung und Qualifikation der Menschen, umso erschreckender. Studiengebühren senken mit großer Wahrscheinlichkeit die AkademikerInnenquote und verschärften somit eine diesbezüglich ohnehin - auch volkswirtschaftlich gesehen - prekäre Situation. Sturn und Wohlfahrt wiederlegen zudem den Mythos, daß gebührenfreie Universitäten eine nicht begrüßenswerte Umverteilung von Arm auf Reich bzw. Nicht-AkademikerInnen auf AkademikerInnen mit sich bringt, weil durch unser progressives Einkommenssteuersystem bzw. durch den Entfall des steuerlichen "Glättungsvorteils" für AkademikerInnen vor allem die Besserverdienenden und AkademikerInnen die Universitäten finanzieren und die Schlechterverdienenden und Nicht-AkademikerInnen von der Gebührenfreiheit profitieren.
Öffnung der Hochschule vollenden
Tatsache ist, daß die Öffnung und Demokratisierung der österreichischen Universitäten zwar in Ansätzen gelungen, aber längst noch nicht abgeschlossen ist. Wir weisen darauf hin, daß der Ausschluß wesentlicher Bevölkerungsteile aus der höheren Schulbildung (AHS, BHS) als das zentrale Hindernis eines sozial gerechten Hochschulzugangs anzusehen ist. Das vergleichsweise mangelnde Verständnis von Teilen der Öffentlichkeit für die Probleme der Universitäten ist diesem bislang nur ungenügend begegneten Problem zuzuschreiben. Demontage von Chancengleichheit Trotz der marginalen Förderung von StudentInnen durch Stipendien (13% StipendienempfängerInnen stehen nach ÖSTAT mehr als 60% erwerbstätige Studierende gegenüber)ermöglichte ein gebührenfreier Universitätszugang seit den siebziger Jahren die Partizipation von Kindern aus "bildungsfernen" Familien (z.B. ArbeiterInnenfamilien) an postsekundärer Bildung.
Die Einführung von Studiengebühren bedeutet gerade für einkommens- und bildungsferne Schichten eine massive Benachteiligung auf einem Arbeitsmarkt, der verstärkt höhere formale Qualifikationen fordert.
Falsche "Geschenke"
Abgesehen von der bislang unbeantworteten Frage, unter welchem Titel 1. Milliarde der geforderten Studiengebühren ins Finanzministerium zur kurzfristigen Sanierung des Budgets fließen wird, muß darüber hinaus darauf hingewiesen werden, daß die großzügig angekündigte Bildungsmilliarde nicht einmal reicht, um die massiven Budget-Kürzungen im universitären Bereich von 1,6 Mrd. im ersten Halbjahr 2000 abzudecken.
Weitere Benachteiligung von Frauen
Wie der Statistik Österreich (ÖSTAT) zu entnehmen ist, gibt es einen signifikanten Zusammenhangzwischen Erhöhung des Frauenanteils unter den Studierenden und der Abschaffung der "Studientaxen" per Wintersemester 1972/73. Diese Taxen waren den nun angekündigten Studiengebühren in der Höhe vergleichbar und wurden für ausländische Studierende, unter zahlreichen Ausnahmen, beibehalten. Während sich der Anteil der Frauen bei den Erstimmatrikulierenden nach Steigerungen zwischen 2% jährlich und einer einmaligen Steigerung um 4,5% (1968) sowie einer gleich darauf folgenden Absenkung von 3% (1969) in den 60er Jahren relativ langsam erhöhte, stieg er im Jahr der Abschaffung der Studiengebühren um 5% und danach wieder kontinuierlicher um ca. 1 bis 2% bis er 1985 die 50% Marke erreichte, die nun sogar schon überschritten ist. Noch signifikanter ist der Zusammenhang in der Entwicklung des Frauenanteils bei den ordentlichen HörerInnen: Dieser stagnierte bei ca. 26% zwischen Ende der 50er Jahre und der Abschaffung der Studientaxen, während er im Zeitraum der Abschaffung um 2% jährlich anstieg, bis er 1977/78 37,7% erreichte und sich danach wieder langsamer erhöhte.
So wie gemäß diesen Daten bekannt war und ist, daß die Abschaffung der Studiengebühren maßgeblich zur Erhöhung des Frauenanteils bei den Studierenden beigetragen hat, so müßte der Regierung ebenfalls klar sein, daß die Wiedereinführung aller Wahrscheinlichkeit nach den gegenteiligen Effekt hat. Dies hängt mit bereits soziologisch analysierten strukturellen Bedingungen für den Aus- oder Einschluß von Frauen in die universitäre Bildung zusammen. Eltern, insbesondere aus einkommensschwächeren und einem universitären Bildungsanspruch nicht so nahe stehenden Schichten mit geringerem Ausbildungsniveau, lassen - wenn überhaupt - eher die Söhne studieren, umso mehr, wenn dafür Gebühren bezahlt werden müssen und auch gleichzeitig andere finanzielle Belastungen hinzukommen wie sie nun angekündigt wurden.
Die Streichungen bei der Mitversicherungsmöglichkeit wird zudem viele Studentinnen treffen, die damit wahrscheinlich oft direkt an ihrem Studium gehindert werden. Aufgrund der Bekanntheit dieser Zusammenhänge kann es sich nur um eine gezielte politische Maßnahme zur neuerlichen Verdrängung der Frauen aus den gesellschaftlich relevanten Sphären handeln, insbesondere der Frauen aus einkommensschwächeren Schichten, die kein Stipendium mehr erhalten, weil Einkommensgrenzen knapp überschritten oder aufgrund der Studienbedingungen die vorgeschriebene Mindeststudiendauer nicht eingehalten werden konnte.
Ministerin Gehrer ist dabei besonders zynisch verfahren, indem sie anläßlich der Vergabe von 13 Firnbergstellen an postgraduale Wissenschafterinnen einen Tag vor Bekanntgabe der bevorstehenden Gebühren die Errungenschaften Hertha Firnbergs würdigte: Zu diesen gehörte bekanntlich auch die 1972 erreichte Abschaffung der Studientaxen.