Eine kurze Geschichte der IG externe LektorInnen und freie WissenschafterInnen
Die Interessengemeinschaft Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen bildet eine Plattform zur Vertretung universitärer, bildungs- und forschungspolitischer Anliegen der externen LektorInnen und freien WissenschafterInnen. 'Externe LektorInnen' und 'Freie WissenschafterInnen' zeichnen sich dadurch aus, dass sie entweder keine oder befristete Dienstverhältnisse an den Universitäten bzw. Forschungsinstitutionen haben, diesen aber mit ihren Kompetenzen, Erfahrungen und ihrer Lehre immer wieder zur Verfügung stehen. Früher meist nur eine Übergangsphase unmittelbar nach dem Studiumsabschluss, ist diese Art der Beschäftigung für einen immer weiteren WissenschafterInnenkreis zu einer dauerhaften, mitunter lebenslangen Arbeitsrealität geworden. Mit der Umstrukturierung der Universitäten im Zuge UOG 02 ergeben sich einerseits neuen Möglichkeiten der Interessensvertretung an Universitäten (Betriebsrat), aber auch neue Anforderungen an die IG, da externe LektorInnen meist mehrfach (StipendiatInnen, DrittmittelforscherInnen) von den Veränderungen betroffen sind.
Die Interessengemeinschaft Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen entstand aus dem während des Unistreiks 1996 gegründeten Aktionskomitee Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen, dem u.a. Monika Bernold, Eva Blimlinger, Andrea Ellmeier, Florian Freund, Johanna Gehmacher, Ela Hornung, Sergius Kodera, Peter Mahr, Siegfried Mattl, Maria Mesner, Alice Pechriggl, Annemarie Steidl, Anton Tantner und Georg Tillner angehörten. Die IG externe LektorInnen beteiligte sich in den Anfangsjahren aktiv an Protesten gegen Sozial- und Bildungabbau und führte in den Jahren 2000 und 2001 zwei bedeutende Studien durch. Im März 2000 wurde die Studie Zwischen Autonomie und Ausgrenzung? Zur Bedeutung Externer Lehre und Freier Wissenschaft an österreichischen Universitäten und Hochschulen vorgelegt, im November 2001 eine Machbarkeitsstudie für ein WissenschafterInnenhaus für freie WissenschafterInnen. Als österreichweite Interessenvertretung der externen LektorInnen und freie WissenschafterInnen gegründet, engte sich jedoch der Kreis der aktiven Mitglieder nach 2000 zunehmend auf die Wiener Universitäten ein. An der Universität Wien war die IG Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen jedoch seit 2004 als sie im Rahmen der Kritischen Liste GAKU PLUM + IG LektorInnen, Stud. MitarbeiterInnen, Grüne, FSG und Unabhängige kandidierte im nach dem UG 2002 neu geschaffenen Betriebsrat vertreten. Die damalige Präsidentin der IG, Annemarie Steidl, vertrat die externen LektorInnen bis Ende 2009, als ihr Vertrag mit der Universität Wien auslief und sie eine Stelle an einer amerikanischen Universität annahm, im Betriebsrat und ermöglichte der IG zumindest die Möglichkeit ihre Anliegen auch in den universitären Strukturen verstärkt zu formulieren.
Nachdem die IG einige Jahre stark von HistorikerInnen getragen wurde, wurde 2009 mit Thomas Schmidinger erstmals ein Politikwissenschafter zum Präsident gewählt. Dies fiel mit Organisationsversuchen anderer Lehrenden- und Forschendengruppen zusammen.
Ohne auf unser ursprünglich zentrales Betätigungsfeld der universitären Lehre zu verzichten, beschäftigt sich die IG verstärkt mit prekären wissenschaftlichen Arbeitsverhältnissen, wie jenen der befristeten Anstellung von AssistentInnen, ProjektmitarbeiterInnen, freien WissenschafterInnen, bis zu den befristeten ProfessorInnen.
Die Unzufriedenheit mit dem Kollektivvertrag, das Auslaufen der ersten befristeten Anstellungen des durch das US 2002 geschaffenen ‚neuen Mittelbaus’ und das drohende Ende universitärer Karrieren durch die ‚Kettenvertragsregelung’ für Drittmittelangstellte, hatte bereits im Laufe des Studienjahres 2008/2009 zu einer stärkeren Organisierung der betroffenen Statusgruppen geführt.
Diese Initiativen koordinierten sich über den Sommer stärker und organisierten für den 14. Oktober 2009 gemeinsam mit der IG Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen und der Gruppe ‚Prekärcafe’ eine sehr gut besuchte Veranstaltung unter dem Titel „Prekarisierung in den Wissenschaften – Organisieren wir uns!?“.
Mit dieser Veranstaltung wurde von Seiten der Lehrenden und Forschenden eine Dynamik in Gang gesetzt, die sich mit Beginn der Studierendenproteste eine Woche später, massiv beschleunigte. Die IG Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen solidarisierte sich bereits nach der ersten Nacht der Audimax-Besetzung mit den Protestierenden und lud wenige Tage später zu einem Lehrenden und Forschendentreffen ein, an dem ca. 150 MitarbeiterInnen aus Wiener Universitäten teilnahmen. Daraus entwickelte sich eine regelmäßig tagende Lehrenden- und Forschendenversammlung, die von einem rotierenden Organisationsteam vorbereitet und moderiert wird und mit dem Label der „Squatting Teachers“ wesentlich zur Sichtbarkeit von Lehrenden in der Protestbewegung beitrug. Die IG Externe LektorInnen und Freie WissenschafterInnen konnte im Rahmen der Protestbewegung immer wieder in den Medien auf die Anliegen der LektorInnen hinweisen und beteiligte sich schließlich vom 11. bis 14. März 2010 aktiv an den Bologna-Protesten in Wien.
Mit der Generalversammlung am 15. März 2010 gelang es, neue AktivistInnen, die im Rahmen der Uniproteste zur IG gestoßen sind, in den Vorstand zu wählen. Der neue Vorstand setzt die 2009 begonnene Einbindung jüngerer LektorInnen fort und inkludiert erstmals seit einigen Jahren neben Lehrenden der Universität Wien auch Lehrende weiterer österreichischer Universitäten (Akademie der Bildenden Künste und Fachhochschule Salzburg). Mit Claus Tieber wurde erstmals ein Universitätsdozent und Lektor der Theater-, Film- und Medienwissenschaft zum Präsidenten gewählt. Mario Becksteiner kandidiert für die IG im Rahmen einer breiten fortschrittlichen Kandidatur bei den Betriebsratswahlen im April 2010. Die IG wird damit zu einer breiteren und besser vernetzten Interessenvertretung, die sich effektiver für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Lehrenden und Forschenden im Kontext eines breiten, emanzipatorischen Begriffs von Wissensarbeit engagieren kann und auch weiterhin um grundsätzliche Alternativen zum krisengeschüttelten derzeitigen Bildungs- und Wissenschaftssystem bemühen sein wird.